Die anstehende E-Privacy-Verordnung lässt die Werbebranche schwitzen. Dabei können alle Marktteilnehmer von mehr Datenschutz profitieren, meint Christopher Reher. Für ihn hat der EU-Gesetzgeber der Branche einen Gefallen getan.
Rothenberg beruft sich dabei vor allem auf die Änderungsanträge zur Ergänzung des Artikel 8 der E-Privacy Verordnung. Darin geht es im Kern um die Möglichkeit der Speicherung und Nutzung von Nutzerprofilen auf Endgeräten der User in Form von zum Beispiel Cookies. In seinem Kommentar betont Rothenberg immer wieder, wie sehr die Branche unter dem erhöhten Datenschutz beziehungsweise dessen verstärkten Anforderungen leiden wird und das dadurch das grundlegende Business-Modell des Internets stark beschädigt wird. Nur eine vereinfachte Form des Datenschutz , so der CEO des IAB, könne das verhindern.
Für mich ist das eine These, die sich so nicht halten lässt und selbst der Entwicklung und den Problemen innerhalb der digitalen Industrie nicht gerecht wird.
Zahlreiche Umfragen belegen, dass die digitale Branche sich einem immer wiederkehrenden Vertrauensverlust gegenübersieht. Und die Selbstregulierung der Branche war bisher nicht von Erfolg gekrönt. Auf diesen Ergebnissen basiert der Entwurf der ePVO.
Werbungtreibende fühlen sich durch AdFraud und mangelnder Viewability verunsichert. Endnutzer installieren immer öfter Werbeblocker, um den Fluten der Banner zu entgehen und selbst Agenturen fühlen sich teils völlig überfordert von der schlichten Masse an Werbeangeboten, die täglich auf sie einprasseln. In diesen Zeiten also soll eine Lockerung des Datenschutzes und mithin eine weitere Entfesselung des Werbemarktes die Lösung sein?
Wer so etwas vorschlägt, widerspricht damit nicht nur jeglichen Umfragen unter den Internetnutzern, sondern blendet auch aus, welche Probleme und finanziellen Verluste durch den offenen Handel mit Daten, Profilen und Klickbetrug auch der Werbeindustrie jedes Jahr zugefügt werden.
Es ist nicht verwunderlich, dass eine neue Regulierung oder Verordnung, die der Industrie von der Regierung aufgezwungen wird, auf Widerstand trifft. Aber ist sie wirklich ein solches Schreckgespenst, wie uns Randall Rothenberg glauben lassen will? Oder könnte sie vielmehr eine große Chance für die Branche sein, ihre Datenpolitik zu überprüfen und neue und bessere Lösungen zu finden, um den Nutzern wieder tatsächlich zu erreichen und für ihre Inhalte zu begeistern?
Hier werden im Prinzip zum ersten Mal einheitliche Spielregeln aufgestellt, die durchweg für alle Markteilnehmer gelten und sich nicht aufgrund zum Beispiel größerer Finanzmittel einfach umgehen lassen. In diesem Falle ist der Feind den man kennt, auch wenn er noch so unbequem ist, immer besser als jener der aus dem unklaren oder nicht sichtbaren Bereich kommt.
Die Realität ist doch, dass sowohl Kunden, als auch Nutzer mehr Datenschutz wollen. Dass sie gerade nicht ein Mehr an Quantität, sondern - wenn überhaupt - ein Mehr an Qualität der Werbung wollen. Auch Rothenberg gibt zu, dass nur noch wenige Nutzer tatsächlich willens und bereit sind für die derzeitigen Angebote zu zahlen, beziehungsweise, dass immer mehr Adblocker zum Einsatz kommen. Zeit also, über alternative Modelle und die Inhalte selber nachzudenken.
So betrachtet, hat uns der EU-Gesetzgeber als Branche doch gerade einen Gefallen getan. Er möchte, dass wir die Macht darüber, ob wir persönliche Daten verwerten, ob wir Personen mit Werbung treffen, dem Endnutzer selber aufbürden. Es handelt sich quasi um ein "gesetzlich gefördertes Targeting" mit dem Fokus auf den Endkunden/-nutzer selbst.
Im Großen und Ganzen können also alle Marktteilnehmer von mehr Datenschutz profitieren. Es tritt ein Win-Win-Win-Szenario ein. Vielleicht gibt es bald mal ein Unternehmen, dass dies positiv umsetzt.
Deshalb lautet mein Fazit: Hören Sie auf, sich gegen die Entwicklung zu wehren und in der Vergangenheit zu leben. Ergreifen Sie die Chance und faszinieren Sie den Endnutzer wieder mit Ihrer Werbung. Dann bleiben Sie auch zukünftig relevant und interessant. Um es nochmal klar zu sagen: Die neue Grundverordnung wird kommen und die ePVO ist zwar nicht durch, aber doch zumindest in Planung. Wer es immer noch nicht gemerkt hat das die fundamentalen Änderungen bereits auf dem Weg sind und in großen Teilen nicht mehr zu verhindern sind, dem ist langsam nicht mehr zu helfen.
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